NFDG – 25.10.87
KP, Sonntag, 25. Oktober 1987, 17.30 Uhr
Nicht NUR FÜR DIENSTLICHEN GEBRAUCH, sondern vielleicht als Anregung zum Nachdenken:
Eine Woche des diesjährigen WKs ist vorbei. Der Geist hat sich zu einem gewissen Teil an ihn gewöhnt; der überaus grössere Teil hingegen hat immer noch erheblich Mühe, sich an diese Extremsituation zu gewöhnen. Zu gross sind die Privilegien, die er sich sonst gewöhnt ist.
Der ganze Eindruck über den WK bzw. über die Institution Militär schlechthin verdichtet sich wieder einmal zu einem Empfinden einer übergrossen Sinnlosigkeit. Der Geist und auch der Körper ist wie gelähmt. Kann Gefängnis schlimmer sein? Nein, ich glaube nicht. Das Gefühl, ein Stück Ware zu sein, über die einige Sandkastenspieler verfügen können, lastet schwer auf dem Ego. Zwar ist es weniger die Tatsache, dass über einen bestimmt wird, als vielmehr diese unendliche Sinn- und Hoffnungslosigkeit unserer Aktionen, ja unserer vernichtenden, zerstörerischen, lieblosen, gefühlskalten Handlungen.
Da kein Feind existiert, richten sich diese Handlungen grösstenteils auf uns selber als Gruppe. Da keine aktuelle Bedrohung vorhanden ist, kein Gegner fassbar ist ausser unseren Vorgesetzten, die nach unserem Empfinden uns das einbrocken, und unliebsam gewordenen Kameraden, die durch Handlungen aus diesem Teufelskreis der Agression auszubrechen versuchen und so die Gruppensituation belasten, richtet sich unsere Agression auf uns selber als Gruppe, je nach psychischer Konstellation auf uns selber als Person, oder auf unsere Kameraden. Ironischerweise bestätigt dies gerade wieder die Maxime des ewigen Krieges, der ewig währenden agressiven Auseinandersetzung, ohne Hoffnung auf Frieden.
D. Annen